K.T.: Der heutige Stand des Handschriftenkampfes
Dr. F. Mareš, rektor der Karlsuniversität in Prag:
Die Wichtigkeit der objektiven Befunde bei der G. u. K.H.
K.T.: "Tabor" -- ein vorhusitisches Wort.
Dr. V. Vojtěch, Profesor der Karsuniversität in Prag:
Konnten die GrŰnberger und Königinhofer Handschrift im 19. Jahrhundert
verfertigt worden sein?
K.Jelk: Berlinerbau in der K.H.
K. T.: Der heutige Stand des Handschriftenkampfes.
Wiewohl allgemein behauptet wirdm dass alles in dieser Frage klar sei, gestehen viele Gelehrte, darunter auch Universitätsprofessoren, dass darin bisher noch vieles ungeklärt ist. Zu diesen "ungelösten" Fragen gehört auch das Verhalten der Handschriften in chemischer Hinsicht.
Im Jahre 1886 wurde die K. H. Im Vergleichswege mit einer ganzen Reihe von Handschriften aus dem 13. Bis 18. und dem Beginn des 19. Jhdts. Von den hervorragenden Chemikern Prof. A. Běhounek und V. Šafařík äusserst gewissenhaft untersucht, ja es wurde sogar das chemische Veerhalten mehrerer eigens zu diesem Zwecke von anderen Chemikern auf alten Pergamentstreifen hergestellten Nachahmungen mit jenen der anderen Handschriften verglichen. Alle vorgenommenen chemischen Versuche erwiesen klar, dass sich die K. H. Vollkommen so verhält wie die vergleichsweise untersuchten Handschriften aus dem 14. Jhd., während die eigens hergestellten Nachahmungen leicht enthüllt wurden. Die Grünberger H. war schon viel früher, u. zw. im J. 1839, vom gebürtigen Reichenberger Aug. Corda, einem bervorragenden Mikroskopiker, mikrochemisch untersucht und auf Grund dieser auf Ansuchen F. Palackýs vorgenommenen Untersuchungen für äusserst alt erklärt worden. Später hat V. Šafařík in dieser Schrift Kupfer festgesteĺlt (basisch kohlensaures Kupfer), was die grüne Farbe derselben erklärt.
In den letzten Jahren bat Universitätsprofesor Dr. V. Vojtěch die modernsten fototechnischen Methoden bei beiden Handschriften erprobt und auf diese Weise die Untersuchungsresultate seiner Vorgänger vollkommen bestätigt.*)
Es möga hier nur kurz die Grundlage der chemischen Untersuchungen dargelegt werden.
Im Laufe der Zeit dringt einerseits die Tintensubstanz in das Pergament ein, andererseits unterliegt sie chemischen Veränderungen, deren Produkte an der Oberfläch des Pergaments verwittern und abbröckeln, aber im Immeren desselben mit dem Pergament chemische Verbindungen bilden, die mit der ursprünglichen Tintensubstanz in chemischer Hinsicht nichts gemein haben. Diese chemischen Veränderungen gehen langsam in einer Reihe von Jahren vor sich und dementsprechend ändert sich auch fortschreitend die Farbe der Schrift. Dieser chemische Prozess lässt sich auch heute trotz des hohen Standes der chemischen Wissenschaft nicht beschleunigen und zwar weder in Hinsicht auf die Farbe der Schrift noch bezüglich des Eindringens in das Pergament bei gleichzeitiger Erzielung der durch die lange Jahre dauernden Einflüsse unbekannter Agentien verursachten chemischen Veränderungen. Wer dies zu erreichen versuchen würde, hinterliesse deutliche Spuren seines Unternehmens in der Schrift selbst wie auch in ihrer Umgebung.
Die G. H. sowie die K. H. weisen keinerlei Tintenreste mehr an der Pergamentoberfläche auf und die Schrift ist ausschliesslich in der Form von unlöslichen Verbindungen im Pergament. Es gibt keine Eisentinten, welche eine solche Farbe hätten wie beide in Frage stehenden H. und welche so zusammengesetzt wären, dass in kurzer Zeit solche chemische Verbindungen entstehen könnten wie sie die GH. oder die KH. aufweisen.
Weder das Pergament noch die Schrift weisen die geringsten Spuren eines Beschleunigungsbestrebens auf und das Ausschen der beiden Handschriften war schon bei der Auffindung das gleiche wie heute, d. h. der stabile Zustand der chemischen Produkte war schon damals erreicht worden.
Daraus folgt, dass die Grünberger und die Königinhofer Handschrift echt sind.
Wenn eine andere Meinung geltend gemacht wird, so muss eine Revision durchgeführt werden!
Dr. Fr. Mareš, Professor der Karlsuniversität in Prag:
Die Wichtigkeit der objektiven Befunde bei der G. u. K. H.
Die Chemie kann nicht sagen in welchem Jahre dieses oder jenes Dokument geschrieben worden war, wohl aber ob die Substanz der ursprünglichen Tinte alt geworden ist. Wenn die Urkunde mit einer chemisch stabilen Substanz (mit in Wasser unlöslicher Farbe, welche mit der Pergamentfaser keinerlei Verbindungen eingeht) geschrieben ist, kamn eine verlässliche Analyse nicht durchgeführt werden. Bei der G. und K. H., wo die Verbindung der Schriftsubstanz mit den Pergamentfasern udgemein innig ist, handelt es sich aber um Tinten, resp. um deren Zersetzungsprodukte. Die chemische Analyse der Professoren A. Bělohoubek und V. Šafařik (1886) und die fotografische von Prof. V. Vojtěch (1930) bawiesen, dass die Zusammensetzung der Schriftsubstanz zur Zeit der Untersuchungen den chemischen Zersetzungsprodukten von Eisentannat (bei der G. H. gemischt mit Kupfersulfat) entspricht und dass auch der Grad des Eindringens der Schrift in das Pargament mit alten Handschriften übereinstimmt, die mit solchen Tinten geschrieben worden waren. Weil die Substanz der K. H. schon im J. 1817 definitiv in Eisenhydroxyd (bei der G. H. in basisches kohlensaures Kupfer) übergegangen war, schliessen wir mit vollem Recht, dass beide Handschriften nicht in diesem Jahre geschrieben werden konnten sondern viel früher.
K. T. "Tabor" - ein vorhusitisches Wort.
J. Pekař. Professor der Karlsuniversität in Prag, brachte gegen die K. H. die Einwendung vor (1927), dass das Wort "tábor" vor der Gründung der gleichnamigen Stadt (1420) nicht bekannt gewesen sie. Mit diesem Worte begann man angeblich die Husitenlager zu bezichnen und dann sei es in andere, namentlich slavische und orientalische Sprachen übergegangen. Die magyarischen Gelehrten j. Melich und Jul. Németh hingegen bewiesen (1935), dass das Wort t a b o r, t a b u r in allen turkotatarischen Sprachen vorkommt, ihnen allgemein eigen ist und in ihnen eine ganze Reihe von verwandten Worten hat. Sie geben auch eine passende semasiologische Erklärung der Komponenten dieses Wortes. Der einzige Irrtum, welcher Melich unterlaufen ist, ist die irrige Anführung ders polnischen Beleges für das Wort "tabor" aus dem XIV. anstatt aus dem XVI. Jahrhundert.
Der Autor betont, dass die heutige Bedeutung des Wortes "tábor" (Wagenburg, befestigtes Lafer, castra) mit dem Sinn des in der K. H. einzig und allein im "Jaroslav" (Tatarenschlacht bei Olmütz) und ausschliesslich als Bezeichnung des tatarischen Heeres benützten Worte "tábor" nicht übereinstimmt. Dabei ist es interessant, dass dieses Wort als Bezeichnung für "Heer", "Abteilung", also in demselben Sinne wie in der K. H., in einer ganzen Reihe von turkotatatrischen Sprachen und in den ältesten nicht biblischen Zitaten vorkommt. Darauf hat schon Miklosich aufmerksam gemach und F. Mareš behandelt diese Frage in seinem Werke "Pravda o Rukopisech Zelenohorském a Královédvorském" (Praha 1931), S. 215-217 in gleichem Sinne.
Dr. V. Vojtěch, Professor der Karlsuniversität in Prag:
Konnten die Grünberger und Königinhofer Handschrift im 19. Jahrhundert verfertigt worden sein?
Zu Beginn des 19. Jhdts. stedkte die Chemie sozusagen in den Kinderschuhen. Nur ein wahrer in der Chemie ideal bewanderter Genius wäre fähig sein Falsifikat gegen alle chemischen Prüfungen der modernen Wissenschaft zu sichern und noch im Jahre 1886 misslang das Bestreben einiger Chemiker vollkommen, kleine Nachahmungen von Handschriften zu erzeugen, welche in der Zusammensetzung und dem "Alter" der Schrift echten Manuskripten entsprochen hätten, trotzdem sie doch im vorhinein wussten, welchen Prüfungen sie unterzogen werden würden. Überdies fehlt uns jede Nachricht, ob um das Jahr 1817 irgendein Böhme in der Chemie so hervorragend gewesen wäre. Keiner der der Fälschung verdächtigten Männer war Chemiker. Ein so hervorragender Geist, welchem es gelungen wäre selbst die moderne chemische Wissenschaft zu täuschen, hätte in dem damals so engen Kreise der böhmischen Intelligenz seine gewiss ungewöhnlichen Fähigkeiten sicher nicht geheimzuhalten vermocht. Auch in dieser Hinsicht würde die Herstellung der G. H. und K. H. um das Jahr 1817 ein Wunder bedeuten - die Wissenschaft glaubt aber nicht an Wunder!
K. Jelk: Berlinerblau in der K. H.
Zur "Bekehrung" der öffentlichen Meinung griffen die Realisten sogar zu - gelinde gesagt - Mystifikationen. So z. B. führt Professor Bělohoubek in seinem chemischen Untersuchungsbericht an, dass die Initiale N in der K. H. Berlinerblau enthält, welche in der Fachliteratur erst in den J. 1704 - 1710 Erwähnung findet. Daraus hat Prof. Gebauer einen materiellen Beweis für den modernen Ursprung der K. H. gebildet. Dabei hat es aber dieser Sprachgelehrte unterlassen den ganzen Befund des Chemieprofessors Bělohoubek anzuführen, aus welchem klar hervorgeht, dass das N ursprünglich mit roter Farbe (Zinnober) ausgeführt worden war und später mit grüner Farbe übermalt wurde, während das Berlinerblau erst die dritte, oberste Schicht bildet und daher weit später dahingekommen ist. Die dünnen Schichten der ursprünglichen Farben sind mit dem Mikroskop deutlich sichtbar.
K. T.: Wenn Herder nicht gewesen wäre...
Professor V. Flajšhans behauptet, dass der Fälscher der G. und K. H. den Stoff zu "Libušas Gericht" (G. H.) aus Herders "Die Fürstentafel" entnommen und sogar dasselbe Versmass - den Zehnervers der serbischen Heldenlieder - angewandt habe. Der Schwepunkt der in der G. H. geschilderten Begebenheit liegt aber an ganz anderer stelle als bei Herder und eine charakteristische Eigenschaft der Verse bezeugt, dass wir es hier weder mit Herder oder seinem Nachalumer noch mit einer modernen Schule überhaupt zu tun haben: Diejenigen, welche in den ersten zwanig Jahren des 19. Jhdts. den serbischen zehnsilbigen Vers nachahmten, dichteten in einem Zehnervers, welcher (wohl nicht immer) eine regelmässige Pause nach der wierten Silbe hat, beachteten aber nicht die Tatsache, dass wir im echten serbischen Zehnervers nie ein "Enjambement" vorfinden. Ähnlich verhält es sich auch bei anderen Versen der Volkspoesie. Alle Nachahmer haben gegen dieses Gesetz mehr oder weniger gesündigt. Der Sutor fürt diese seine These an einer Reihe von Beispielen aus serbischen und spanischen Volksliedern vor und weiters an einer Anzahl von Beispielen des Enjambements bei böhmischen Dichtern aus der Zeit des Wiedererwachens des böhmischen Volkes, ferner bei Herder und Aug. von Platen. Hingegen kann in der G. H. und K. H. nicht ein einziges richtiges Enjambement nachgewiesen werden. Dies ist ein klarer Beweis hiefür, dass Dichtungen niemand verfassen konnte, welcher dieses Gesetz der Volksdichtung nicht "im Blute hatte."